Lesetechniken

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Aktives Lesen

Leser/innen, die an einen Text ohne konkrete Fragestellung herangehen, können Untersuchungen zufolge wesentlich weniger Inhalte langfristig erinnern als Leser/innen, die den selben Text mit Bezug auf gezielte Fragen lesen. Das bedeutet, dass Sie hier unter Umständen viel Zeit verschwenden können, insofern Sie entweder kaum etwas von der Lektüre haben oder später wiederholt nachlesen müssen. Daher sollten Sie sich bemühen, aktiv eigene Fragestellungen zu einem Text zu entwickeln und ihn daraufhin zu untersuchen. Weitere Hinweise hierzu finden Sie im Abschnitt Philosophische Fragestellungen. Die folgenden Tipps sollen Ihnen nicht nur philosophische Lesestrategien vorstellen, sondern Ihnen auch dabei helfen Texte so aufzuarbeiten, dass sie Positionen und Belege schon im Hinblick auf eine schriftliche Verarbeitung dokumentieren.

1. Verschaffen Sie sich einen Überblick

Bild von Buch mit Brille

Wenn Sie beginnen, ein umfangreicheres Buch zu lesen, versuchen Sie, sich zuerst anhand des Inhaltsverzeichnisses und der Kapitelüberschriften einen Überblick zu verschaffen, um welche übergreifenden Themen es in dem Buch geht. Oft enthalten die einzelnen Kapitel auch Zusammenfassungen zu Beginn oder am Ende, die Sie zuerst lesen sollten, wenn Sie nicht genau wissen, welche Kapitel Sie im Besonderen interessieren.

Oft ist auch im Vorwort die Struktur des Buches dargestellt. Sie können innerhalb jedes einzelnen Kapitels auf die gleiche Art und Weise vorgehen. So können Sie bereits vor dem Lesen versuchen, herauszufinden, welche Fragen Sie an dem Buch besonders interessieren, welche Vorkenntnisse Sie schon haben und welche Erwartungen Sie an das Buch stellen.

2. Formulieren Sie eigene Fragen an den Text

Bevor Sie mit dem Lesen beginnen, entwickeln Sie eigene Fragen zum gesamten Text oder einzelnen Kapiteln:

  • Präzisieren Sie, welche Fragen Sie besonders an dem Thema interessieren.
  • Versuchen Sie, die Überschriften und Thesen der Buchkapitel in Fragen umzuformulieren.
  • Überlegen Sie, welche Probleme das Buch zur Beantwortung dieser Fragen lösen müsste und wann Sie bereit sind, eine Lösung zu akzeptieren.
  • Erinnern Sie sich, welche Antworten oder Ansätze Sie zu diesen Themen eventuell schon kennen und wo deren Stärken und Schwächen liegen.
  • Finden Sie heraus, aus welcher Perspektive der Autor die Themen behandelt und welche Art von Antwort er gibt (ist es eine Einführung zu verschiedenen Positionen, eine Interpretation einer schon vorhandenen Position oder ein neuer Diskussionsbeitrag; versucht der Autor eine positive Antwort zu geben oder ist es ein Kommentar zu anderen Antworten?).

Am besten ist es sogar, wenn Sie sich diese Fragen (und nach und nach die Antworten) explizit notieren. Einige Vorschläge zur Entwicklung von Forschungsfragen finden Sie im Abschnitt Philosophische Fragestellungen.

3. Lesen Sie den Text aktiv

Versuchen Sie, während des Lesens die wichtigsten Argumente in Bezug auf Ihre erarbeiteten Fragen zu finden. Trennen Sie Wichtiges von Nebensächlichem. Gute AutorInnen machen es Ihnen einfach, indem Sie wichtige Aussagen stilistisch herausheben, etwa durch Zusammenfassungen und explizite Formulierungen wie "an erster Stelle ist zu nennen", "grundlegend ist..." oder "Zusammenfassend kann formuliert werden...". Viele AutorInnen vermischen jedoch wichtige Thesen mit nebensächlichen Diskussionen. Sie können dies trennen, indem Sie sich immer wieder überlegen, welche Textstellen tatsächlich etwas zur Beantwortung Ihrer Fragen beitragen, welche zumindest als solche gedacht waren und welche weiterführende Exkurse oder schlicht irrelevant sind.

4. Überdenken Sie das Gelesene kritisch

Wenn Sie ein Kapitel oder einen Abschnitt gelesen haben, versuchen Sie zunächst, die zentralen Behauptungen in diesem Abschnitt zu verstehen. Schlagen Sie dazu unbekannte Worte unbedingt in einem Lexikon oder philosophischen Wörterbuch nach. Wenn Positionen erwähnt werden, die Ihnen unbekannt sind, dann finden Sie zumindest heraus, worin diese grundlegend bestehen.

Versuchen Sie nun, die von Ihnen gestellten Fragen zu beantworten. Identifizieren sie das Argument, das zur Antwort führt, indem Sie die Diskussion im Text auf so wenige Punkte wie möglich reduzieren. Danach können Sie Notizen zu dem Gelesenen (s.u.) anfertigen. Diese Schritte 1 - 4 werden für jeden Abschnitt und jedes Kapitel wiederholt, bis alle relevanten Stellen aufgearbeitet sind. Dann folgt der 5. Schritt, der eigentlich nichts anderes ist als alle vier bisher genannten im Schnelldurchlauf.

Diese Schritte sollten Sie für jeden Abschnitt wiederholen.

5. Betrachten Sie das Argument eines Buches in seiner Gesamtheit

Wenn Sie das Lesen des Buches beendet haben (was nicht immer den gesamten Text betreffen muss) dann fassen Sie die gewonnen Erkenntnisse zusammen: Versuchen Sie anhand der Kapitelüberschriften, sich noch einmal die dazugehörigen Fragen und die Grundstrukturen der Antworten ins Gedächtnis zu rufen.

Nun können Sie überlegen, ob die Antwort des Buchs Sie überzeugt, welche Gegeneinwände es offenlässt, wo seine Stärken gegenüber anderen Ansätzen liegen und welche argumenatativen Schwächen es womöglich hat. Überlegen Sie, ob Sie einer/m Mitstudierenden in fünf Minuten das Thema des Buchs, sein grundsätzliches Argument und Ihre Einschätzung erzählen könnten. Das ist natürlich je nach Schwierigkeitsgrad oder Qualität des Buchs nicht immer möglich, aber Sie können so einschätzen, ob nochmaliges Nachschlagen Ihnen weiterhelfen könnte.

Exzerpieren

Wenn Sie von dem Lesen eines Buches oder Aufsatzes wirklich langfristig profitieren wollen, reicht ein reines Durchlesen nicht aus, auch nicht ein Durcharbeiten mit Unterstreichen. Sie sollten sich bei wichtigen Texten unbedingt Exzerpte anfertigen. Das hat nicht nur den Vorteil, dass Sie - ein gutes Ordnungssystem vorausgesetzt - den Text und die wichtigen Stellen darin anhand des Themas wiederfinden können, Sie prägen sich die Argumentationen durch das aktive Durcharbeiten auch wesentlich besser ein.

Lesen Sie einen Abschnitt

  • Lesen Sie nur so viel, dass Sie sich alle wichtigen Punkte noch merken können.
  • Machen Sie sich möglichst erst dann Notizen, wenn Sie sicher sind, das Gelesene auch wirklich verstanden zu haben.
  • Man ist versucht, schon während des Lesens Notizen zu machen, aber das ist nicht immer effizient: Sie werden womöglich zu viel notieren und vieles aufschreiben, ohne es komplett zu verstehen oder mit redundanten Notizen die Übersichtlichkeit verschlechtern.

Durchdenken Sie das Gelesene

  • Identifizieren Sie die wichtigsten Thesen und die Argumente, die zu diesen führen.
  • Legen Sie das Buch zur Seite.
  • Versuchen Sie, diese Positionen in Ihren eigenen Worten zu formulieren; versuchen Sie die Thesen akiv nachzuvollziehen und zu durchdenken.

Machen Sie sich Notizen

  • Es empfiehlt sich, die bibliographischen Daten der Literatur bei den Notizen zu vermerken. Dies erleichtert etwa das Wiederfinden von Zeitschriftenaufsätzen oder das Auseinanderhalten verschiedener Auflagen von Büchern.
  • Schreiben Sie möglichst nichts direkt aus dem Buch ab, außer Ihnen geht es um eine besonders prägnante oder kritikwürdige Formulierung.
  • Notieren Sie nur so viel Details, wie Sie benötigen, um den Text später in seinen Grundzügen rekonstruieren zu können.
  • Passen Sie auf, dass Sie in Ihren Notizen immer deutlich machen, wenn Sie doch eine Formulierung aus dem Text übernehmen oder an den Text anlehnen, sonst kann Ihnen eventuell später ungewollt Plagiarismus vorgeworfen werden, wenn Sie Ihre Notizen für das Verfassen von eigenen Texten verwenden!
  • Notieren Sie die Seitenzahlen, um die den Notizen korrespondierenden Textstellen schnell wiederfinden zu können!



Internetlinks zum Thema


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