Offener Brief der Institutsgruppe
Gegen eine Bacheloreinführung im Allgemeinen und Besonderen
Es ist viel gesprochen worden über verschiedene Unsinnigkeiten; wie die, einen Hochschulabschluss „Junggeselle“ zu nennen. Die Kritik mag berechtigt sein, Grund für die Ablehnung der Umstrukturierung der Studiengänge ist sie nicht. Dabei geht es um etwas anderes: Den Urauftrag von Universität. Universitäten sind keine Berufsausbildungszentren. Im besten Falle wären sie das genaue Gegenteil. Studium generale und auf dieser soliden Basis eine Spezialisierung, die dann auch dafür genutzt werden kann, in diesem Bereich beruflich tätig zu werden. Davon ist man himmelweit entfernt und das freilich nicht erst seit gestern. Ward die Universität einst als Elfenbeinturm verhöhnt, so hat sie wilde Betriebsamkeit längst integriert und jagt mit einem Affentempo die Studierenden durch ihr Studium, dass es allen Betriebsausbildern nur so eine Freude sein kann. Wie überall sonst hat sich als erste Frage eingebürgert, was es denn nutze und wem es etwas bringe. Einziges Kriterium: monetär. Dabei wäre ein Studium dem Wortsinne nach (von lat. studere, sich bemühen, sich widmen) nur möglich, wo wirklich man sich dem Gegenstand widmen könnte, wo nicht der Sachzwang bestimmte Kurse zu belegen, den Studierenden zur Abschlussprüfung triebe, ohne Zeit vom vorgegebenen Pfad einmal einen Blick auf die Seiten- und Holzwege zu werfen, ja ohne rechte Chance, das Vorgegebene recht zu verstehen. Auch wäre ein Studium nur dort, wo man Platz fände, dasjenige, mit dem man sich befasst, einer kritischen Würdigung zu unterziehen, es nicht blank hinnehmen zu müssen. Reproduzieren und der Erwerb von verwertbaren Fähigkeiten (skills) gehören jedenfalls einer anderen Sphäre an. Außerdem müsste Raum gegeben sein, zu eruieren, ob das Studierte wirklich das ist, dem man sich widmen möchte: ein Widmen verlangt Neigung. Wo sie fehlt, ist kein Studium. Es braucht keine tiefgründige Einsicht um festzustellen, dass von alle dem durch den Bachelor nichts geleistet, aber alles verschlechtert wird. Raum und Zeit fehlen dem Studium allenthalben. Willfährig schmeißt man sich der Forderung nach Verwertbarkeit an den Hals, prügelt den Gedanken gewaltsam in jeden Schülerkopf hinein, bis die jungen Studenten schon selbst nach der Folter schreien, mit der man sie allzu gerne versieht. Die Zahl der Studierenden der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften steht nicht nur in keinem Verhältnis zum wirklichen Interesse der Studierenden, sondern übersteigt auch weit die Zahl der benötigten Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler. Der Grund für die allermeisten ist, dass man etwas Sinnvolles studieren möchte. Dabei ist sowohl der Terminus „sinnvoll“ als auch der des „Studierens“ denen, die da sprechen, absolut unklar. Weder ökonomisch noch tatsächlich ist es wünschenswert, junge Menschen durch drei Jahre Bachelor zum BWL-Abschluss zu hetzen. Die so Ausgebildeten sind keine Akademiker. Ihre Fähigkeiten sind auf ein Unsinniges reduziert. Wenig fehlt und man könnte sagen: jede Bankausbildung hätte ihnen einen größeren Nutzen erwiesen. Die evidente Unsinnigkeit ihres Tuns wird ihren vergolten, indem man sie in aufpolierten Gebäuden ihre eigene Wichtigkeit lehrt, bis die Realität ihnen ein anderes beweist. Der Bachelor ist also selbst für so genannte berufsqualifizierende Studiengänge unangemessen und wenig sinnvoll. Nachgerade grotesk wird es bei der Einführung des Bachelor in Geisteswissenschaften, besonders der Philosophie. Ein berufsqualifizierender Philosophieabschluss muss in jedem Ohr wie Spottwort klingen. Als stünden außerhalb der Universität die Unternehmen bereit, die hineinrufen: gebt uns die Philosophen, wie nehmen sie auch halbgar. Mag es Studiengänge geben, die ihre Sinnhaftigkeit nicht vollständig einbüßen, wenn man sie nur, du grauenhaftes Wort, in partes beherrscht, so wird in der Philosophie durch eine Fragmentierung der Sinn des Studiums selbst in Frage gestellt: wer zwar weiß, wie man sich in schwierigen Texten über Wasser hält, aber von der notwendigen Entwicklung der Geistesgeschichte und ihrem heutigen Stand, dem krasser Regression, nichts versteht, hat nicht Philosophie sondern Texterfassung studiert. Wer nicht begreift, dass man Platon, Kant und Hegel verstehen muss, weil sie den Kern der Philosophie ausmachen, sondern glaubt, alle Autoren stünden irgendwie, partikular und gleichwertig nebeneinander, der verkennt, was Philosophie ist: nicht eine Fachdisziplin, die zu allem auch ihren Senf gibt, sondern eine Disziplin, die sich selbst zum Wissenschaftsbegriff noch transzendent verhält, nicht integral in ihm aufgeht. Nicht die Philosophie hat sich wissenschaftlich zu begrenzen, sondern Wissenschaft wäre philosophisch zu reflektieren, in ihrer Beschränktheit zu erkennen. Philosophie ist ebenso wenig eine Geschichte der Philosophen und was sie sagten, wie die nackte Beschränkung auf das, was man heute zufällig gerade erzählt. Philosophie ist die Reflexion in immer neuer Form. Deswegen als Technik nicht zu erlernen. Kritisches Bewusstsein bei Kenntnis aller großen Schulen, Denkströme und ihrer Geschichte. Nicht unmittelbar in welchem Beruf auch immer zu verwerten, niemals in drei Jahren zu erlernen. Kein Mensch versteht die innere Notwendigkeit der Kritik der reinen Vernunft in drei Jahren. Noch weniger deren dialektische Kritik bei Hegel. Wo das unverstanden bleibt, ist es, wie wenn ein Mathematiker wohl eine Formel anwenden kann, aber ihren Beweis nicht zu führen vermag: leeres, beliebiges Wissen, zu nichts Nutze, was nicht jeder Computer zu leisten imstande wäre. Durch eine Verkürzung des Studiums wird dem Mathematiker unmöglich gemacht, seine Beweise zu führen und dem Philosophiestudenten, Philosophie zu studieren. Ein Verweis auf den nachfolgenden Master ist läppisch: schon heute steht fest, dass nur eine ausgewählte Elite in seinen Genuss kommen wird. 20%, durch universitären Protest vielleicht auf 25% zu erhöhen, soll zwei Jahre Gnadenfrist bekommen, um dann, durch ständigen Druck verunsichert, durch schlechte Strukturen vom Kern der Wissenschaft abgehalten, etwas weniger ungebildet aus der Akademie zu scheiden. Es muss daran erinnert werden, dass hier keine Studenten ihr Privileg verteidigen wollen. Durch längere Studienzeit will sich niemand der Notwendigkeiten auf dem Arbeitsmarkt entziehen. Das Studium muss sich die Gesellschaft nicht vom Munde absparen. Dagegen steht die Gefahr, dass es vollständig untergeht, wo der Bachelor den Sieg davonträgt. „Das Halbverstandene und Halberfahrene ist nicht die Vorstufe von Bildung, sondern ihr Todfeind.“ (Adorno, Theorie der Halbbildung) Und während auf Festreden davon schwadroniert wird, wie wichtig Bildung und Wissenschaft seien, wie großartig die geistige Tradition der Stadt Frankfurt hervorrage, vergisst man ihr Erbe und vollstreckt die geschichtliche Tendenz, die Denken zum Feind sich erkoren hat. Ein Bachelor in Philosophie wäre gerade an der Frankfurter Bürgeruniversität mehr als nur ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich bewusst für diese Universität entschieden haben und besonders derer, die ihr Gesicht prägten. Dessen sollte man sich bewusst sein, wenn man leichtfertige Entscheidungen trifft, weil sie tagespolitisch opportun erscheinen.