Philosophische Fragestellungen

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Version vom 11. März 2010, 18:30 Uhr von Jakob Krebs (Diskussion | Beiträge) (Dimensionen philosophischer Fragen)
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Die folgenden Hinweise zu philosophischen Fragestellungen sollen ihnen dabei helfen, eigene, überschaubare Arbeitsfragen zu entwickeln, vor deren Hintergrund Sie Ihre Gedanken im Rahmen von Referaten, Essays oder Hausarbeiten strukturieren und präsentieren können.


Philosophische Fragen im Studium

Wozu verfassen Sie einen philosophischen Text? Während Ihres Studiums vermutlich nicht zuletzt, aber hoffentlich nicht nur deshalb, damit Sie einen Schein dafür bekommen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Sie allerdings weitere Ziele verfolgen: Sie müssen z.B. meist ein oder mehrere fremde Argumente analysieren und eigene Argumentationen vorstellen und verteidigen.

Was heißt das? Normalerweise heißt das, dass Sie eine Frage aufwerfen, eine These zur Beantwortung dieser Frage mit Blick auf bestehende philosophische Positionen vertreten, und dass Sie diese Antwort mit gut durchdachten Argumenten begründen. (Selbst wenn Sie der Meinung sind, dass zu einer bestimmten Frage zwei mögliche Antworten so gut begründet sind, dass keine Entscheidung möglich ist, so ist auch das eine These.)

Ein guter philosophischer Text zeichnet sich dadurch aus, dass er den Diskurs der Philosophie bereichern und voranbringen kann, indem er eine Analyse und eine Antwort zu einer möglichst präzisen Fragestellung anbietet. Auch wenn Sie in den ersten Semestern noch nicht bereit sind, zu philosophischen Debatten etwas gänzlich Neues beizutragen, sollten Sie doch Ihren Text als möglichen Beitrag zu einer solchen philosophischen Debatte ansehen. Sollte Sie diese Vorstellung überfordern, so liegt das vermutlich daran, dass die von Ihnen aufgeworfene Frage viel zu unübersichtlich ist.

Wählen Sie deshalb vor allem zu Beginn Ihres Studiums überschaubare Themen, so dass Sie in ein paar Wochen eine These formulieren können, die zumindest so klar und durchdacht ist, dass Sie glauben, sie in einer Debatte mit Ihren Mitstudierenden gut verteidigen zu können. Ist die Ausgangsfrage überschaubar, bleibt dies auch das zu sichtende Material, die Gliederungsarbeit und die zu verteidigende These - es wird keinesfalls von Ihnen verlangt, ständig bahnbrechende Theorien aufzustellen!

Viel lehrreicher ist es, überschaubare Fragen, die Sie mit Ihren DozentInnen abgesprochen haben sollten, exemplarisch zu beantworten und das dafür sorgfältig recherchiert und strukturiert zu tun. Mit waghalsigen Thesen zu unübersichtlichen Debatten können Sie später um so besser umgehen. Mit dieser Strategie vermeiden Sie nicht zuletzt auch motivationale Probleme und Frustration hinsichtlich Ihrer gesteckten Ziele.


Motivierende Fragen

Am Besten ist es natürlich, Sie können sich für die Problemstellung begeistern, auch auf die Gefahr hin, dass Sie Ihre Möglichkeiten überschätzen. Wählen Sie also möglichst eine Fragestellung, die Sie wirklich interessiert. Eine wichtige Voraussetzung für das Verfassen eines philosophischen Textes ist ein eigenständiger Zugriff auf das behandelte Problem bzw. den zu interpretierenden Text. Dieser Zugriff lässt sich am besten durch eine eigene Fragestellung verwirklichen, die sich im Verlauf der Literaturrecherche immer weiter konkretisieren und differenzieren lässt. Weitere Hinweise zu den Vorarbeiten finden Sie unter der Rubrik Literaturrecherche sowie Lese- und Exzerpiertechniken.

Veranschaulichende Beispiele oder Gedankenexperimente sind zur Klärung komplizierter Fälle oft anregend und hilfreich (sowohl für sich selbst, als auch für das Gegenüber), während unreflektierter Jargon oder unausgereifte Metaphern meist mehr Verwirrung als Klarheit erzeugen.


Zielgerichtete Fragen

Eine gute Fragestellung sollte sich in Form eines Argumentationsziels formulieren lassen, das mit der Arbeit erreicht werden soll. Sich einfach nur einen Gegenstand als Thema zu wählen ("Kants Begriff der moralischen Autonomie" oder "Quines Gedankenexperiment der radikalen Übersetzung") ist in der Regel eher zu unspezifisch, kann zu unnötigen Schwierigkeiten bei der Konzeption und Gliederung der Arbeit führen und verleitet möglicherweise zum bloßen Referieren fremder Positionen.

Eine gute Fragestellung gibt nicht nur vor, womit man sich in der Arbeit beschäftigen will, sondern legt darüber hinaus fest, mit welchem Ziel man dies tun möchte. Überschaubare Fragestellungen können z.B. auf die Stellung eines Begriffes oder Argumentes im Rahmen eines Textes zielen, unterschiedliche Positionen zu einer bestimmten Problemstellung befragen oder die Rolle eines Gedankenexperiments innerhalb einer bestimmten Debatte betreffen.

Aus einer klaren Fragestellung ergibt sich idealerweise schon die grobe Struktur der Arbeit, insofern sich die in der Frage aufgeworfenen Begriffe und Verhältnisse (mit Blick auf die behandelten Autoren) als Gliederungspunkte anbieten. Gerade vor dem Hintergrund einer überschaubaren Leitfrage lassen sich Ausblicke auf verwandte Themen und größere theoretische Zusammenhänge leicht integrieren - im Gegensatz zu einer uferlosen Frage, bei der sich Anschlussfragen zu Relevanz und Auswahl benachbarter Themen häufen.

Absprache mit DozentInnen

Leitfragen für philosophische Hausarbeiten sollten in Absprache mit den DozentInnen so präzisiert und eingeschränkt werden, dass sie im Rahmen einer Hausarbeit oder eines Essays sinnvollerweise behandelt werden können. Überprüfen Sie zunächst selbst, ob die Fragestellung so gewählt ist, dass sie sich im Rahmen Ihrer Vorkenntnisse, Ihres Leistungsvermögens und des Umfangs der Hausarbeit gut bearbeiten lässt.

Dimensionen philosophischer Fragen

Philosophische Fragen lassen sich oft bestimmten philosophischen Teildisziplinen und ihren jeweiligen Gegenstandsbereichen zuordnen (der Ästhetik, der Bedeutungstheorie, der Moralphilosophie etc.). Es gibt jedoch auch spezifische philosophische Fragerichtungen (und entsprechende Antworten), die sich disziplinübergreifend nahezu immer stellen, wenn man sich einem bestimmten Gegenstand nähert – sei es der Moral, mentalen Eigenschaften, Kunstwerken oder was auch immer:

  • begriffliche Fragen: Fragen danach, was ein Ausdruck (oder Begriff) bedeutet bzw. wie dessen Bedeutung (oder Gehalt) angemessen erläutert werden sollte.
  • ontologische Fragen: Fragen danach, ob Gegenstände einer bestimmten Art existieren, welche Beschaffenheit – welche ‚Natur’ – sie haben (falls sie existieren) und wie diese Gegenstände mit anderen Gegenständen in der Welt zusammenhängen.
  • erkenntnistheoretische Fragen: Fragen danach, wie wir feststellen bzw. herausfinden können, dass der fragliche Gegenstand existiert/vorliegt.

Diese drei Fragerichtungen – und die entsprechenden Antworten – hängen sicherlich inhaltlich zusammen. (Über solche Zusammenhänge kann man auch trefflich streiten. Und natürlich wurde und wird darüber in der Philosophie auch diskutiert.) Gleichwohl sollte man sie erst einmal möglichst streng voneinander unterscheiden.

Die drei skizzierten Fragerichtungen sind hier natürlich nur sehr generell – und vage – charakterisiert worden. (Es lassen sich etliche Varianten denken.) Deshalb sollten zur Erläuterung zumindest noch einige Beispiele folgen:

1) Angenommen, das philosophische Interesse gelte Kunstwerken. Dann kann in ungefährer Entsprechung zu den obigen Unterscheidungen beispielsweise gefragt werden:

  • Wie sollte der Begriff des Kunstwerks erläutert werden?
  • In welcher Weise existieren Kunstwerke, was ist ihre Beschaffenheit und wie fügen sie sich in unsere übrige Welt ein (z.B. der Welt, wie sie von den Naturwissenschaften beschrieben wird)?
  • Wie können wir feststellen, ob ein Gegenstand ein Kunstwerk ist?

2) Angenommen, wir interessierten uns für Gerechtigkeit. Dann könnte man erneut unterscheiden zwischen Fragen der Art:

  • Wie sollte der Begriff der Gerechtigkeit erläutert werden? (Oder: Was heißt es, dass etwas – z.B. eine Handlung – gerecht ist?
  • Gibt es die Eigenschaft (z.B. von Handlungen), gerecht zu sein – vielleicht sogar auf eine ähnlich objektive Weise, wie physische Eigenschaften?
  • Wie können wir feststellen, dass etwas (z.B. eine Handlung) gerecht ist?

Orientierungsfragen

Grundlegende Orientierungsfragen, die von Ihnen für eigene Arbeiten präzisiert werden können, sind zum Beispiel:

  • Worin genau besteht das Problem, das ein/e AutorIn zu lösen versucht?
  • Welche Annahmen, Unterscheidungen und Perspektiven stehen dabei im Hintergrund?
  • Für welche Überzeugungen, Unterscheidungen, Perspektiven usw. wird im Einzelnen argumentiert?
  • Welche werden referiert, modifiziert, verteidigt oder kritisiert?
  • Welche Gründe werden zur Rechtfertigung oder Kritik einzelner Festlegungen angeführt?
  • Wie verhalten sich die einzelnen Strategien zueinander?
  • Was spricht gegen einzelne Thesen, Argumente oder Perspektiven?
  • Ergeben sich interne Spannungen?
  • Worin bestehen die grundlegenden Unterschiede zu anderen Ansätzen im Einzelnen?
  • Erscheinen Ihnen die Begründungen plausibel und warum bzw. warum nicht?
  • Kennen Sie weitere Gründe, die zur Stützung oder Kritik der Thesen geeignet sind?
  • ...
  • Weitere Orientierungsfragen können hier hinzugefügt werden!


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